Die Ernährung von Kaninchen und Meerschweinchen
Snacks für Kaninchen und Meerschweinchen ?
Beim Tierarzt werden Kaninchen und Meerschweinchen besonders häufig mit Durchfall vorgestellt. Darüber hinaus gibt es andere Magen-Darm-Probleme, die sich in vielen Fällen allein mit einer Korrektur der Fütterung beheben lassen. Mit anderen Worten: Sie wurden durch eine über lange Zeit nicht artgerechter Fütterung hervorgerufen.
Vor diesem Hintergrund ist zu hinterfragen, welche Anforderungen Kaninchen und Meerschweinchen an ihr Futter stellen und inwieweit diese von handelsüblichen Futtermitteln erfüllt werden.
Futterspektrum unter natürlichen Lebensbedingungen:
In freier Natur fressen Kaninchen Gräser, Kräuter und Blätter von Gemüsepflanzen, also rohfaser- und zellulosereiches Futter. Äußerst selten gehören zu ihrem Nahrungsspektrum Getreidekörner von Weizen, Roggen, Hafer oder Gerste bzw. Maiskörner. Diese sind jahreszeitlich bedingt nur für eine kurze Periode in der freien Natur verfügbar und dann in einer Höhe von zirka einem Meter, wo Kaninchen sie nicht erreichen können. Nur wenn vom Wind umgewehte Pflanzen oder Körner auf den Boden fallen, kommen Kaninchen an dieses sehr stärkereiche, aber zellulosearme Futter heran.
Die Stammform unseres Hausmeerschweinchens ist das Gebirgsmeerschweinchen. Es besiedelt grasreiche Hochebenen und Buschsteppen der Anden bis zu Höhenlagen von 4200 m. Das Gras der Anden ist sehr reich an Vitamin C, sodass diese ökologische Nische vom Nahrungsangebot her für das Meerschweinchen ideale Lebensbedingungen bietet.
Anatomische und physiologische Besonderheiten des Verdauungskanals:
Aufgrund einer Vielzahl von anatomischen und physiologischen Besonderheiten des Verdauungs-kanals von Kaninchen und Meerschweinchen ist rohfaserreiches Futter aus nachfolgenden Gründen von besonderer Bedeutung:
Alle Zähne wachsen lebenslang, die Wachstumsrate beim Kaninchen beträgt 10 cm pro Jahr, beim Meerschweinchen liegt sie noch höher. Eine ausreichende Zahnabnutzung erfolgt nur durch rohfaserreiches Futter, das ein intensives Mahlen der Backenzähne notwendig macht, d.h. Heu oder Wiesengras als Grundfutter mit Ergänzung von abwechslungsreichem Frischfutter wie Blätter, Kräuter, in Maßen Gemüse und Obst.
Kaninchen und Meerschweinchen fressen häufig und in kleinen Mengen, bis 80-mal am Tag. Der Weitertransport des Mageninhaltes ist nur durch erneute Futteraufnahme und Nachschub möglich, was durch voluminöses rohfaserreiche Futter gewährleistet wird. Das bedeutet, diese Tiere brauchen ein ständiges Nahrungsangebot, müssen mehrmals täglich gefüttert werden. Bei nur ein- bis zweimaliger Gabe von Grünfutter fressen die Tiere hastig und können sich leicht überfressen.
Der Blinddarm ist eine große Gärkammer, die von Bakterien (der Darmflora) und z.T. Einzellern besiedelt wird. Diese sind in der Lage, Zellulose (Rohfaser) aufzuspalten, wodurch leicht verdauliche freie Fettsäuren entstehen, die resorbiert werden und dem Tier als leicht umsetzbare Energie zur Verfügung stehen. Damit diese physiologische Darmflora funktioniert, bedarf es eines deutlichen basischen Darmmilieus. Bei der Verfütterung o.g. Futtermittel ist dies gewährleistet, bei der Fütterung von zucker- und stärkereichen Futtermitteln (z.B. Getreide und Getreideprodukte wie Brot und Bisquits) hingegen nicht: Stärke wird zu Zucker abgebaut, wodurch das Darmmilieu von basischen zu stark sauren Verhältnissen umkippt. Die Folge ist ein Absterben der lebenswichtigen gesunden Darmflora und ein Überwuchern mit unerwünschten säureliebenden Bakterien, die die Zellulose nicht abbauen können. Der von ihnen gebildete Zucker wird vom Tier als ein Übermaß an Energie (Kalorien) aufgenommen und in Fettdepots gespeichert, sodass eine Fehlernährung dem Tierhalter nicht sofort auffällt.
Im Blinddarm wird außerdem als Endprodukt ein sogenannter Blinddarmkot (Zäkotrophe) gebildet. Dieser spezielle Weichkot - schleimüberzogene trauben- bis wurstförmige Gebilde - passiert die weiteren Dickdarmabschnitte fast unverändert, wird nach dem Ausscheiden von den Tieren direkt vom After abgenommen und unzerkaut geschluckt, was meist als "Putzbewegung" zu beobachten ist.Er besteht aus Bakterien, aus Eiweißen und Vitaminen. Bis zu 6 Stunden verweilt er im Magen, dort sind die Bakterien weiter aktiv, dann erfolgt im Magen und Dünndarm eine Auflösung der Schleimhülle mit nachfolgender Verdauung. Auf diese Weise sind Meerschweinchen und Kaninchen in der Lage aus rohfaserreichem Futter alle für sie notwendigen Nährstoffe selbst herzustellen. Das Meerschweinchen ist lediglich auf die Zufuhr von Vitamin C angewiesen, das reichlich in frischem Obst wie z.B. in Erdbeeren, Kiwi, rotem Paprika, Karotten, roter Beete und Tomaten vorhanden ist.
Ebenso wichtig ist der nicht verdauliche verholzte Anteil der Rohfaser. Er dient als Ballaststoff und optimiert die Darmpassage des Futters. Reich an Ballaststoffen sind Heu und trockenes Gras. Dies ermöglicht einerseits eine entsprechende Verweildauer der verdaulichen Futterinhaltsstoffe im Darm und andererseits die Weiterbewegung der Nahrung durch den Darm.
Da Kaninchen und Meerschweinchen nicht in der Lage sind zu erbrechen, muß einmal aufgenommenes Futter den gesamten Verdauungskanal passieren, bevor es wieder ausgeschieden wird. Aufgrund der langen Verweildauer des Futters im Blinddarm kann eine Darmpassage vier bis fünf Tage dauern, sodass ein schlecht verträgliches Futter dem Tier möglicherweise auch so lange Blähungen und damit Schmerzen verursacht.
Woraus bestehen Snacks für Kaninchen und Nagetiere ?
In zunehmendem Maße und immer neuer Vielfalt werden im Handel Snacks für Kaninchen und Meerschweinchen angeboten. Dabei handelt es sich um "Knabberstangen" unterschiedlicher Art, gehalten von einem Holz- oder Kunststoffstiel, bunt und appetitlich aufgemacht. Außerdem sind mit E 106 und E 141 orange oder giftgrün eingefärbte Maiskroketten sowie Joghurtdrops unterschiedlicher Farb- und Geschmacksrichtungen im Handel erhältlich.
Gemäß Packungsdeklaration ist folgendes in diesen Snacks zu finden:
1. Zucker, Mehl, Maisklee, Hartbiskuit, Zuckerrohrmelasse, Bäckereinebenerzeugnisse, ausgesuchte Getreidearten, wertvolle aufgepoppte Getreidearten, Honig
Diese Inhaltsstoffe werden überwiegend zu leichtverdaulichem Zucker abgebaut und beeinflussen deshalb das Darmmilieu der Tiere ungünstig.
2. gehackte Nüsse, Saaten, tierisches Eiweiß, frische Eier, Milch- und Molkereierzeugnisse, Joghurtpulver
Diese Stoffe werden in freier Natur niemals von Kaninchen und Meerschweinchen aufgenommen und sind daher sehr schwer verdaulich.
3. pflanzliche und tierische Nebenerzeugnisse
Das sind undefinierbare Abfallprodukte aus der Lebensmittel- bzw. Futtermittelindustrie.
Getreide und Maiskörner sind für den Tierhalter ein leicht zu handhabendes Futtermittel. Der Kauf ist in jedem Supermarkt möglich, es verdirbt nicht so schnell und es hinterläßt beim Gebrauch wenig Schmutz. Außerdem werden diese Futterstoffe von den Tieren gern gefressen, denn ebenso wie der Mensch bevorzugen sie höher konzentrierte, also energiereiche Nahrung.
Besonders gern werden auch sehr süße und sehr bittere Stoffe (Bitterstoffe aus Baum- und Strauchrinden) aufgenommen. Die hohe Akzeptanz von Seiten der Tiere darf aber nicht gleichgesetzt werden mit einem artgerechten und damit für das Tier gesunden Futtermittel.
Die Folgen nicht artgerechter Fütterung:
Kaninchen und Meerschweinchen sind im Bereich des dem Blinddarm nachgeschalteten Grimmdarmes mit sehr effizienten Kompensationsmechanismen ausgerüstet, d.h. zellulosehaltige Partikel können aus dem Grimmdarm entgegen der Haupttransportrichtung des Darminhaltes wieder in den Blinddarm zurücktransportiert werden. Auf diese Weise kann eine stärkereiche und zellulosearme Fütterung - äußerlich betrachtet - für eine lange Zeit unbeschadet ausgeglichen werden. Die Folgen werden jedoch in zunehmenden Maße offensichtlich:
+ Die Tiere werden übergewichtig und mit der Zeit bewegungsunlustig. Es treten Ballenabszesse und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf.
+ Sie zeigen chronischen Durchfall (kotverschmiertes Fell, Befall mit Fliegenmaden in der Sommerzeit) oder zeigen akuten Durchfall nach saftfutteraufnahme (z.B. Salat), was dann aber fälschlicherweise vom Tierhalter dem Saftfutter nicht aber der über lange Zeit zu stärkereichen Fütterung zugeschrieben wird.
+ Als Folge von Fehlgärungen im Blinddarm entsteht die Trommelsucht: Die Stärke wird zu Zucker abgebaut und dieser durch Hefen vergoren. Die entstehenden Gase können nicht entweichen, so dass der Darm aufgebläht wird und die Tiere hochgradige Bauchschmerzen erleiden. In vielen Fällen sterben die Tiere relativ schnell infolge des Schocks oder wenn der Darm platzt.
+ Die Körner werden mit den Zähnen nur zerquetscht. Aufgrund der fehlenden Mahlbewegung ist der Zahnabrieb ungenügend und es entstehen überlange Zähne. Diese spießen in die Zunge oder in die Backenschleimhaut ein, was Schmerzen erzeugt. Die Futteraufnahme ist deutlich erschwert oder gar unmöglich, was weitere Verdauungsprobleme nach sich zieht. Die erforderliche Zahnkorrektur kann nur vom Tierarzt durchgeführt werden.
Eine überwiegend aus stärkereichen Körnern bestehende Fütterung liefert zu wenig Kalzium. Über längere Zeit entwickelt sich so ein Kalziummangel, der sich besonders durch erworbene - im Gegensatz zu angeborenen - Zahnfehlstellungen erkennen läßt. Die Aufnahme von Heu aus vielfältigen Graspflanzenmischungen hingegen garantiert eine ausreichende Kalziumversorgung. Eine Kalziumüberversorgung ist durch Heugaben nicht möglich, jedoch durch Konzentratfütterungen mit Luzerneheu-Rollis und/oder ausschließlichen Petersilien- und Möhrenkrautgaben. Eine Kalziumüberversorgung kann zu Harngries- und Steinbildung in den Nieren und der Blase führen.
Fazit:
Grundsätzlich liegen die Argumente für das Körnerfutter auf Seiten des Tierhalters und nicht auf Seiten der Tiere. Die völlig naturfremden Futtermittel wie Milch- und Joghurtdrops sind in der Regel reichhaltig an jenen Inhaltsstoffen, die Kaninchen und Meerschweinchen in dieser Konzentration nicht benötigen bzw. nicht verarbeiten können. Die hohe Kaufakzeptanz für diese Snacks liegt in dem Irrglauben des Tierhalters, dass sie für das Heimtier ein ähnlich kulinarisches Vergnügen darstellen wie analoge Lebensmittel für ihn. Er genießt die vermeintliche Gewissheit, mit seiner ausgeprägten Tierliebe seinem Liebling etwas Gutes getan zu haben.
Erst in den letzten Jahren haben engagierte Tierärzte sowie Tierernährungsspezialisten auf diese Misstände hingewiesen. Seit einiger Zeit werben deshalb innovative Futtermittelfirmen mit getreidefreiem Futter und vertreiben Futtermittel, die auf den Bedarf dieser Tierarten ausgerichtet sind. Der informierte Kaninchen- bzw. Meerschweinchenhalter sollte auf eine artgerechte Fütterung Wert legen. Sie besteht für beide Tierarten darin, dass ein Grundfutter aus vielfältigem Heu, Heupellets oder Wiesengras stets vorhanden ist und dieses aus ernährungsphysiologischen Gründen und zur abwechlungsreichen Beschäftigung der Tiere durch Frischfutter in Maßen ergänzt wird. Frischfutter, die selbst leicht zu Blähungen führen wie Kohlarten, Chicoree und Klee sollten vermieden werden, ebenso erhitztes, verdorbenes, verschmutztes, schimmliges, gefrorenes oder nasses Grünfutter und überfrorene Rüben Beim Meerschweinchen ist das Angebot von Vitamin C-reichem Frischfutter zu ergänzen.
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